2.2       Girokonten werden Geldkonten. Giralgeld wird Vollgeld

Die Wiederherstellung des staatlichen Geldregals beinhaltet, die Giralgeldschöpfung der Banken zu beenden, genau so, wie die Einführung der staatlichen Zentralbanknoten vor über hundert Jahren verlangte, die Ausgabe von Privatbanknoten zu beenden.

Allerdings, im Rahmen der heutigen Buchungs- und Bilanzierungspraxis ergibt es keinen Sinn, die Giralgeldschöpfung zu verbieten. Das wäre eher komisch. Man muss stattdessen einen buchungs- und bilanztechnischen Weg finden, der sicherstellt, dass kein fraktionales Reservebanking mehr stattfindet, anders gesagt, dass Banken ihre verfügbaren Reserven nicht mehr per Kredit oder Eigenkauf über Girokonten 'multiplizieren' können. Vielmehr müssen alle Kreditvergaben, Wertpapierkäufe und sonstige Käufe von Banken voll mit Zentralbankgeld (vollwertigen gesetzlichen Zahlungsmitteln, kurz Vollgeld) finanziert sein.

Es gibt verschiedene Wege und Varianten, das sicherzustellen. Der hier vertretene Vollgeld-Ansatz besteht darin, die Girokonten aus den Bankbilanzen auszugliedern und als Geldkonten der Kunden in eigenem Recht aufzustellen. Die Girokonten werden zu Vollgeldkonten. Die Guthaben auf den individuellen Geldkonten der Kunden haben dann denselben Status wie Münzen im Geldbeutel oder wie Banknoten in der Brief­tasche. Die liquiden Geldguthaben der Kunden einerseits und die Eigenmittel und Verbindlichkeiten der Bank andererseits werden damit voneinander getrennt.

Die englische Positive Money Kampagne hat diesen Ansatz in der Weise modifiziert, die Girokonten nicht individuell, sondern kollektiv auszugliedern. Das gesamte Kontokorrent einer Bank würde als Sammel­konto aller Kunden-Girokonten aus den Bankenbilanzen ausgegliedert, um fortan als ein Kunden-Transaktions-Sammel­konto der Bank bei der Zentralbank geführt zu werden, zusätzlich zu und getrennt vom laufenden Betriebskonto mit den Eigenmitteln der Banken.    

In beiden Fällen erfolgt die Vollgeldreform, indem ab einem bestimmten Datum  die Girokonten zu Geldkonten umdeklariert werden, zu Vollgeldkonten, auf denen sich Zentralbankgeld befindet. Die Kunden werden gleichsam 'ausbezahlt'. Die Banken haben damit keine ungedeckten Geldverbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden mehr. Im Gegenzug werden bei allen drei Varianten die heutigen Giralgeldverbindlichkeiten ('täglich fällige Verbindlichkeiten' der Bank gegenüber den Kunden) ab Umstellungsdatum zu Verbindlichkeiten der Bank gegenüber der Zentralbank: zu einer Forderung der Zentralbank an die Banken auf Tilgung der Bestände an Giralgeld, die zum Zeitpunkt der Umstellung bestehen, auf einem Konto 'Übergangsverbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank' – als hätte von vornherein die Zentralbank diese Mittel an die Banken verliehen.

Um den Übergang reibungslos zu gestalten, und den Banken insoweit entgegen zu kommen, brauchen diese Mittel nicht verzinst zu werden. Sie sind aber vorrangig übertragungspflichtig, das heißt, sie müssen nach Maßgabe laufender Tilgungen aus Altkrediten an die Zentralbank zurück übertragen und damit getilgt werden, wobei diese Tilgungen zeitgleich und bedarfsgerecht durch Ausgabe neuen Vollgeldes ausgeglichen werden können, sodass die Geldmenge nicht deflationär schrumpft.

In einem Vollgeldsystem ist das Geld stets ein liquides Aktivum. Es existiert, auch bei Banken, in keiner Weise mehr als Verbindlichkeit, auch bei der emittierenden Zentralbank nicht, wo es als nationales Eigenkapital, oder durch Trennung von Geldemission und Zentralbankgeschäften auch außerhalb der Zentralbankbilanz geführt werden kann.

Bei einer Kredittilgung wird das betreffende Geld nicht mehr gelöscht, sondern gelangt vom Geldkonto eines Kunden auf das Betriebsmittel- bzw Eigenmittelkonto einer Bank. Würden diese Mittel ab Umstellung nicht an die Zentralbank rückübertragen, würden den Banken riesige Windfallprofite zuwachsen – so als hätten sie das Geld doch für sich selbst gedruckt. Eben deshalb müssen in dem Maß wie Kunden ihre alten Kredite bei der Bank tilgen, die Banken diese Beträge als zu tilgende Quellforderung an die Zentralbank zurückführen, wodurch sie gelöscht werden – und zeitgleich und bedarfsgerecht ersetzt durch Neuausgabe von Vollgeld, in der Regel per originärer Seigniorage. Bei situativem Bedarf kann die Zentralbank das Geld im Rückfluss auch unmittelbar durch einen verzinslichen neuen Kredit an die betreffende Bank ersetzen, also das Geld sozusagen bei der Bank belassen, nur mit neuem Vertrag. Daraus braucht man kein Dogma zu machen, solange sichergestellt ist, dass alle Geschäfte der Bank voll (also nicht nur fraktional) in Form von Zentralbankgeld finanziert sind und ausschließlich in diesem Geld ausgeführt werden. 

Die Ausschleusung des alten Giralgeld­volu­mens und seine Substitution durch Vollgeld geschieht so lange, bis die alten Bestände an Giralgeld, die Übergangsverbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank, die zum Stichtag der Reform entsteht, auf null abgeschmolzen und die Konten 'Übergangsverbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank' geschlossen worden sind. Damit ist die Umstellung dann voll­zogen. Zugleich ist gewährleistet, dass die Banken genügend Mittel verfügbar haben, um ihre Kredite und Käufe nicht nur fraktional, sondern voll zu finanzieren.

Sonderlich umfangreiche technische Umstellungen erfordert der Übergang von Giralgeld zu Vollgeld nicht. Erforderlich sind Anpassungen von einzelnen Vorschriften zu Buchungs- und Bilanzierungspraktiken, Zahlungssystemen o.ä. Dabei lassen sich die heutigen Buchungs- und Bilanzierungsverfahren sowie die technischen Order- und Zahlungssysteme mit geringen Modifikationen weiter verwenden.

Infolge der Trennung von Eigenmitteln und Kundenmitteln wird den Banken eine Giralgeldschöpfung nicht mehr möglich sein. Man bräuchte es ihnen von daher nicht einmal zu untersagen. Auf diese Weise erreicht eine Vollgeldreform auf einfache Weise das gleiche, was die früheren Vorschläge für ein 100%-Banking umständlicher zu erreichen versuchten bzw überhaupt im Unklaren ließen. Im Vollgeldansatz ist der Full-Reserve-Ansatz aufgehoben, da hier 'Reserven' im hergebrachten Sinn und 'unbares Vollgeld' im Besitz der Banken bzw ihrer Kunden miteinander identisch sind. (Vgl. 'Fragen…' zum Thema 100%-Ansätze).

Die Banken können die Geldkonten der Kunden weiter verwalten, als Dienst­leistung der Kontoführung, der unbaren Geldverwaltung und des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, ähnlich wie Banken auch Wertpapierdepots für ihre Kunden führen. Aber die Vollgeldkonten der Kunden werden nichts mehr zu tun haben mit den Eigenmitteln der Banken und den Kredit- und Anlagegeschäften einer Bank.

In der Folge würde sich auf allen Geldkonten von Banken und Kunden unmittelbar Vollgeld befinden, nicht nur Ansprüche auf solches Geld. Bei Geschäften zwischen Banken und Kunden sowie zwischen Banken oder Kunden untereinander würden immer Vollgeldguthaben fließen, auch dort, wie diese gegeneinander verrechnet werden:
-   Bei Kredit einer Bank an einen Kunden (Überziehungskredit, Konsumkredit, Baukredit, Investitionskredit) fließt bei Variante 1 das unbare Geld vom Zentralbank-Betriebskonto der Banken auf das individuelle Geldkonto der Kunden, bei Variante 2 auf das Zentralbank-Sammelkonto der Kunden, bei Variante 3 vom Eigenmittelkonto einer Bank auf das Kundenmittel­konto dieser Bank.
-   Bei einer Spar- oder Termineinlage, oder einem anderen Kredit eines Kunden an eine Bank, fließt das Geld bei Variante 1 und 2 vom Individual- oder Sammelkonto der Kunden auf das Zentralbank-Betriebskonto der Bank. Bei Variante 3 fließt es vom Kundenmittelkonto auf das Eigenmittelkonto der Bank.
-   Bei einer Zahlung von Kunden untereinander innerhalb ein und derselben Bank fließt das Geld bei Variante 1 direkt von einem Kundenkonto zu einem anderen Kundenkonto, oder es werden bei Variante 2 die Beträge umgebucht innerhalb des Kundensammelkontos bei der Zentralbank, oder bei Variante 3 umgebucht innerhalb des Kundenmittelkontos in der Bankbilanz.
-   Bei einer Zahlung von Kunden einer Bank an Kunden von anderen Banken fließt bei Variante 1 das Geld direkt zwischen den individuellen Geldkonten der Kunden. Bei Variante 2 wird es vom Kunden-Transaktionskonto der einen Bank auf das Kunden-Transaktionskonto der anderen Bank überwiesen. Bei Variante 3 fließt das Geld zwischen den Betriebsmittelkonten der beiden Banken und wird synchron auf den Kundenmittelkonten in der Bankbilanz ab- und zugebucht.

Banken werden nur noch Geld ausgeben bzw verleihen können, über das sie positiv verfügen, indem sie es eingenommen oder von eigenen Kunden oder am offenen Geldmarkt aufgenommen haben (von Kunden anderer Banken, von anderen Banken, ggf auch von der Zentralbank, im In- oder Ausland). Mit anderen Worten: Jeder Kredit ist voll finanziert. Dem ist so, weil jeder Kredit vollumfänglich in Zentralbankgeld (Vollgeld) vorhanden sein bzw ausbezahlt werden muss. Zwischen den Begriffen Kredit und Darlehen wird man keinen Unterschied mehr machen können. Geld und Kredit sind klar voneinander getrennt. Kredit wird vollständig auf Basis zirkulierenden Geldes vergeben, aber damit ist keine Geldschöpfung oder Quasi-Geldschöpfung mehr verbunden, ebenso wie mit einer Kredittilgung keine Geldvernichtung mehr verbunden ist.