Wie ist Vollgeld wirtschafts- und staatspolitisch einzuordnen?

Vollgeld steht akademisch und geldpolitisch in der Tradition der Currency School der 1830–40er Jahre, im Unterschied zur Banking School. Currency-Ansätze stehen für vollständige staatliche Geldsouveränität im Sinne des hergebrachten Geldregals. Das Geldregal beinhaltet drei Komponenten:
1. die Bestimmung der nationalen Währung
2. die Geldausgabe in öffentlicher Hand, heute in der Regel durch die unabhängige staatliche Zentralbank, und dadurch die öffentliche Kontrolle der frei schöpfbaren Geldmenge, und
3. die Einnahme des ungeschmälerten Geldschöpfungsgewinns (der Seigniorage) zugunsten der öffentlichen Kassen.

Banking-Lehren beanspruchen dagegen einen gleichsam staatsfreien Raum für Banken und Finanzmärkte und vertreten im Extrem das Free Banking, eine Lehre der radikalen Entstaatlichung des Geldwesens. Die Banken würden demnach auch ihre eigenen Währungen herausgeben, selbst alles Geld schöpfen, und alle privilegierten Geldvorteile daraus für sich privat realisieren. Vollgeld stellt in diesem Kontext eine Neue Currency Theorie dar. 

Die Vollgeldtheorie oder Neue Currency Theorie sieht sich ebenso in der Tradition des Ordoliberalismus. Vollgeld ist ein marktwirtschaftliches Konzept, steht aber Formen des Finanzkapitalismus und bestimmten Formen des Corporate Capitalism ebenso kritisch gegenüber wie einem ausufernden bürokratischen Etatismus. Vollgeld steht also in Gegensatz zu allen verwildernden Wirtschaftsformen, die Freiheit im Interesse privater Geldherrschaft missbrauchen und ebenso in Gegensatz zu allen Formen der staatsbürokratischen Überfremdung und Gängelung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Vollgeld steht nicht für eine hohe Staatsquote, sondern für einen starken freiheitlichen Rechtsstaat und eine konstitutionell und gesetzlich gebundene Marktwirtschaft. Darin soll vorrangig Handlungsautonomie herrschen, aber doch in demokratie-, sozial- und umweltverträglichen Grenzen. Ein wichtiger Aspekt hiervon ist ordnungspolitische Gewaltenteilung in Staat und Wirtschaft, insbesondere die konstitutionelle Zuständigkeit der unabhängigen staatlichen Zentralbank für das Geld (nicht für die Geldverwendung), und die Zuständigkeit der Banken für die Finanzierung diversester Aktivitäten (jedoch ohne das dazu nötige Geld selbst schöpfen zu können).​