Eine Einschätzung der Kampagne Quantitative Easing for People (für Helikoptergeld bzw monetäre Finanzierung von Staatsausgaben)


Worum geht es? Quantitative Easing for People (QE4P oder QEP) stellt ein Tabu in Frage: die Direktfinanzierung von Staatsausgaben durch die Zentralbank, auch bekannt als monetäre Staatsfinanzierung, speziell auch als Helikoptergeld. Technisch gesehen würde dem Zentralbank-Konto der Regierung neues Zentralbankgeld (Reserven) gutgeschrieben, und zwar, so die Absicht, schuldenfrei. Dies geschähe parallel und zusätzlich zur fortbestehenden Giralgeld­erzeugung der Banken. Ausgeben solle die Regierung das Geld für Infrastruktur-Investitionen oder für eine Bürgerdividende (Auszahlung pro Kopf Einwohner).

Konzeptionell bedeutet dies,
(a) das fraktionale Reservebanking mit gespaltenem Geldkreislauf sowie das monetäre Privileg der Banken bestehen unangetastet weiter, und
(b) schuldenfinanziertes Deficit Spending wird durch schuldenfreies Deficit Spending ersetzt, ohne an der bestehenden Haushalts- und Steuerpolitik etwas zu ändern.

Die Fehlfunktionen des Giralgeldregimes geraten aus dem Blickfeld – zum Beispiel die Bestands-Unsicherheit des Giralgeldes; die Krisenanfälligkeit des Banken- und Finanz­wesens aufgrund BIP-disproportionaler Finanzaktiva und Schulden; Bankprivi­legien und disproportional wachsende Finanzeinkommen auf Kosten der Arbeitseinkommen.

QEP trägt zu einer Reform des Geldsystems allenfalls marginal etwas bei. Es geht QEP nicht darum, vom Giralgeldregime zu einer Vollgeldordnung überzugehen, sondern es geht um herkömmliche kompensatorische Keynesianische Wirtschaftspolitik, bei der Geldschöpfung zu Zwecken der Fiskal- und Einkommenspolitik eingesetzt wird. Zusätz­liche öffentliche Schulden werden dadurch zum Teil, eine höhere Besteuerung einschließlich einer stärkeren Komponente der Einkommensumverteilung ganz vermieden. Anders gesagt, anstatt einen Kurswechsel anzustreben, bewegt sich QEP weiter in den Bahnen, die uns in die missliche Lage geführt haben in der wir uns befinden.           

Die Instrumentalisierung der Geldpolitik zu Zwecken der Fiskal- und Wirtschaftspolitik bleibt eine umstrittene Praktik bezüglich Zielerreichung, unerwünschten Neben­wirkungen und ordnungspolitischer Zweifelhaftigkeit.

Das vorliegende QEP-Konzept besagt nichts hinsichtlich des Umfangs der zusätzlichen Geldmengen für Staatsausgaben, oder der Mengen, bzw Mengenbegrenzung, des auszuschüttenden Helikoptergeldes, oder etwas dazu, wie QEP und Giralgeld sich zueinander verhalten würden.

QEP wirft Probleme eigener Art auf:

Wirtschaftlich könnte es QEP zwar tatsächlich gelingen, eine kurzfristige Wachstums­stimulanz und eine Anhebung der Inflationsrate auf das ominöse 2%-Ziel zu erreichen.  Unter diesem Aspekt könnte QEP in der Tat wirksamer sein als das herkömmliche QE, das vor allem der Banken- und Finanzindustrie neues Geld zuführt, hohe Schulden­stände zu niedrigen Zinsen 'stabilisiert', und neuerliche Schübe von Assetinflation und Blasenbildung herbeiführt.

Man sollte den erwünschten Effekt jedoch nicht überschätzen. Zwar besteht ein Mangel an realwirtschaftlichen Investitionen. Es fragt sich jedoch, ob dies auf einen Mangel an Massenkaufkraft zurück zu führen ist oder auf eine durch QE aufgeschobene Schulden­bereinigung (deleveraging), besonders auf immer noch zu hohe Schuldenstände im Finanzsektor und noch weiter gestiegene öffentliche Schulden. Je mehr der Schulden-Faktor zutrifft, umso weniger wirksam ist QEP; davon abgesehen, dass es gegenwärtig ohnedies ratsamer ist, verfügbare öffentliche Mittel in Infrastruktur, Bildung und Qualifikation zu stecken als in eine konsumtive Bürgerdividende.

Auch die Gründe für die besonders hohe Jugendarbeitslosigkeit liegen nicht in einem Mangel an kaufkräftiger Nachfrage, sondern in gesetzlichen und korporatistischen Rigiditäten des Arbeitsmarktes, in strukturellen Mismatches, sowie in Formen illegaler Beschäftigung. Geldpolitik ist bezüglich dieser Art von Problemen irrelevant.

QEP kann kurzfristig eine weniger angespannte Haushaltslage herbeiführen. Würde es aber tatsächlich höhere Wachstumsraten auslösen, würde dies auch zu höheren Preisen und, in diesem Fall viel wichtiger, höheren Zinsniveaus führen. Dies würde den Handlungsspielraum der Regierungen angesichts der hohen Schuldenstände und eines dann wieder hohen Schuldendienstes empfindlich einschränken. Um das Schuldenproblem einmal mehr durch Wirtschaftswachstum zu entschärfen, sind die langfristig absehbaren Wachstumsraten in fortgeschrittenen Ökonomien längst zu niedrig. Demgegenüber würde eine Vollgeldreform das Problem der Staatsver­schuldung für Gläubiger und öffentliche Schuldner auf reibungslose Weise auflösen.

Deficit Spending ist niemals so realisiert worden wie es gedacht war, nämlich als anti-zyklische Maßnahme in Konjunkturkrisen, gefolgt von Schuldenabbau in Zeiten der Hochkonjunktur. Stattdessen wurde daraus bald eine Konjunktur-unabhängige Allzeit-Gewohnheit der Sozial- und Rüstungspolitik, je nach Land. Warum sollte das mit QEP von nun an anders sein?

Sollte die Geldreformbewegung den geldtheoretischen Illusionen gewisser Theorien postkeynesianischer Herkunft auf den Leim gehen, welche die Geldmenge und ihre Kontrollierbarkeit für ebenso irrelevant erklären wie die Höhe öffentlicher Schulden, so würde sie sich paradigmatisch eines der wichtigsten Pfeiler berauben auf denen sie beruht, um damit dann auch überflüssig zu erscheinen. 

Technisch gesehen, wenn die Regierung das QEP-Geld ausgibt, erhalten Haushalte und Firmen eine Girogutschrift, während den Banken die betreffenden Zentralbankmittel (Reserven) gratis zufließen. Es handelt sich daher nicht um den Einstieg in eine Vollgeldreform, sondern eben um eine direkte Übertragung von neuem Zentralbank­geld an die Regierung, von der aus die Mittel jedoch wiederum den Banken, nicht dem Publikum zufließen.

Je umfangreicher QEP ausfallen würde, desto weniger hätten die Banken noch kostenträchtig zu refinanzieren. QEP ist also auch für die Banken ein Free Lunch, der sie von der Zentralbank und Regierung noch unabhängiger macht als sie es schon sind.

Wird eines Tages wieder darüber diskutiert, dass es zu viel Geldschöpfung gibt und zu hohe Verbraucher- und Vermögenspreis-Inflation, werden Banken und Regierung sich gegenseitig die Schuld daran zuschieben. QEP würde in einer Konstellation weiterhin außer Kontrolle befindlicher und unkoordinierter paralleler Geldschöpfung stecken bleiben – und gegenüber dem Giralgeld womöglich den Kürzeren ziehen, wie dies zwei Mal in der Geschichte der USA der Fall war (mit den Colonial Bills im 18. und den Greenbacks im 19. Jahrhundert).

Rechtlich erfordert QEP in Europa eine Aufhebung oder Abänderung von Art. 123 (1) AEUV (Lissabon-Vertrag), in Amerika von US Code Title 12, Chapter 3, Subchapter IX, § 355. Diese Gesetze verbieten heute jede Direktfinanzierung von Staatsausgaben durch die Zentralbank. Eine Abänderung von Art. 123 (1) AEUV zu erwirken, ist auf kurze Sicht freilich unwahrscheinlich. Im Vergleich dazu erfordert eine Vollgeldreform eine solche Gesetzesänderung nicht unbedingt, wie wünschenswert eine Spezifizierung von Art. 123 (1) AEUV auch sein mag.

Alternativ dazu müssten Experten und die Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass es bei QEP lediglich um einen nützlichen und legalen Geldschöpfungsgewinn geht (Seigniorage). In Bezug auf eine Vollgeldreform mit effektiver Kontrolle der Geldmenge kann das zweifelsfrei geltend gemacht werden, nicht aber bezüglich QEP solange es nicht klare Regeln und Ziele gibt, die das Volumen von QEP begrenzen und es zur Giralgeldschöpfung der Banken in eine plausible Beziehung bringen (was im Rahmen desbestehenden Giralgeldregimes jedoch nicht möglich ist).    

Sollten die QEP-Mittel als originäre Seigniorage überlassen werden, das heißt zins- und tilgungsfrei, würde die Zentralbank fortwährend mit Verlustvorträgen und negativem Eigenkapital operieren. In der Zentralbank-Bilanz mag das möglich sein und ist in wenigen Fällen anscheinend auch schon praktiziert worden (Israel, Tschechien). Aber natürlich bedeutet dies, zweierlei Maßstäbe anzulegen, da ein fortgesetzter Betrieb bei negativem Eigenkapital für alle anderen Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jedenfalls würde die Situation weitere juristische Streitigkeiten mit sich bringen.

Eine ähnlich ungeklärte und strittige Situation würde entstehen, wenn das Geld als Zentralbank-Darlehen an die Regierung vergeben wird, zum Beispiel gegen die 'Sicherheit' von unbefristeten und unverzinslichen Staatsanleihen, sozusagen als 'ewiger Kredit'.

Trotz alledem könnte eine öffentliche Debatte über die betreffenden Fragen sinnvoll sein. Dies würde zu einem besseren Allgemeinwissen beitragen, über das Geld- und Banken­system, das Verhältnis von Zentralbank und Banken, und die Grenzen zwischen Geldpolitik und Fiskal- und Haushaltspolitik.   

Politisch gesehen, zu einem Zeitpunkt an dem Positive Money eine QEP-Kampagne in der Eurozone beginnt, und die Schweizer Vollgeld-Initiative erfolgreich Unterschriften für eine Volksabstimmung über eine Vollgeldreform gesammelt hat, droht eine unerfreuliche Entweder-oder-Situation. Denn QEP wird von den Initiatoren als eine kleine Variante von Vollgeldreform propagiert und dürfte in der Öffentlichkeit auch so aufgefasst werden. QEP und Vollgeldreform werden dadurch zu konkurrierenden Ansätzen.

Könnte man glaubhaft beide Ansätze zugleich Zeit verfolgen? Kaum. Eher besteht die Gefahr, dass eine QEP-Kampagne den Stellenwert von Vollgeldreform-Kampagnen wie in der Schweiz und in Island relativiert und schwächt. Wieso die Probleme des Giralgeldregimes und die monetäre Macht der Banken angehen, wenn schuldenfreies Deficit Spending als scheinbar leichter zu habende Alternative angeboten wird?

QEP dürfte vor allem in der Keynesianischen Denkwelt Unterstützung finden, bei der politischen Linken, und unter Politikern jeder Couleur die sich weniger budgetäre Einschränkungen wünschen. Von daher, und ohne einen kohärenten Rahmen geld-, haushalts- und wirtschaftspolitischer Perspektiven, läuft QEP Gefahr, als unsolides öffentliches Finanzgebaren alten Stils verdächtigt zu werden, zumal wenn es mit dem Programm eines People's QE des linken Labour-Kandidaten J. Corbyn in Verbindung gebracht wird. Damit könnten Teile der politischen Mitte und gemäßigten Rechten für die Sache einer Vollgeldreform verloren gehen.

Eher als dass es einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer Vollgeldreform darstellt, dürfte QEP von einer solchen ablenken. Da QEP die Aufmerksamkeit auf kurzfristige Wirtschaftspolitik unter den QE-verschleppten Krisenbedingungen richtet, verliert die kritische Betrachtung des dysfunktionalen Giralgeldregimes der Banken an Aufmerksamkeit, während der Politik signalisiert wird, sich über Staatsquote, Staatsverschuldung, öffentliche Haushalte und Steuern keine Gedanken zu machen. Soweit QEP als kleine Geldreform missverstanden wird, würde dies wohl auch – unbegründete – Zweifel hinsichtlich der monetären und finanziellen Solidität einer Vollgeldreform nach sich ziehen.  

QEP und Vollgeldreform in Einklang bringen?

Ansätze monetärer Staatsfinanzierung wie zum Beispiel overt money finance, Helikoptergeld, QEP, oder neue US Greenbacks (Treasury notes) in den USA, bleiben unter Aspekten der Geldpolitik und einer Geldreform ambivalent. Um stimmiger zu werden und für ein breiteres politisches Spektrum akzeptabel zu sein als nur für die politische Linke, müsste die QEP-Kampagne ausdrücklich und offensiv eine Reihe von Gesichtspunkten kommunizieren, zum Beispiel    

- dass QEP zwar eine Alternative zum herkömmlichen geldpolitischen Quantitative Easing ist, nicht jedoch eine Alternative zur Reform des Geldsystems (des Giralgeldregimes bzw des fraktionalen Reservebanking), sondern eine wirtschaftspolitische Maßnahme der Geldpolitik, die kurzfristig zur wirtschaftlichen Erholung unter den Bedingungen der QE-verschleppten anhaltenden Finanzkrise beitragen soll

- dass QEP und Vollgeldreform unabhängig voneinander verfolgt werden, obschon sie nicht unbedingt einander ausschließen

- dass QEP möglicherweise zwar große, aber doch begrenzte Geldmengen in Umlauf bringen würde, gemäß noch darzulegenden Kriterien

- dass QEP in alleiniger Verantwortung der EZB bzw einer betreffenden Nationalbank außerhalb der Währungsunion durchgeführt wird, dass also nicht Regierungen und Parlamente über das Ob, Wann und Wieviel von QEP bestimmen, sodass die Grenzen zwischen monetärer und fiskalischer Verantwortung gewahrt bleiben.

Darüber hinaus, da eine QEP-Kampagne darauf abzielt, durch Regierungsausgaben in Umlauf gebrachtes Zentralbankgeld parallel und zusätzlich zu von Banken in Umlauf gebrachtes Giralgeld einzuführen, sollte eine QEP-Kampagne auch die Einführung von Vollgeld-Konten für Firmen und Haushalte parallel zu Girokonten fordern. Dies wäre dann ein echter Einstieg in eine Vollgeldreform (siehe > Trennkonten und sicheres Geld). 


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